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«Long Covid und das Post-Vac-Syndrom» Was wir wissen und wie wir Betroffenen helfen können.

Im letzten Newsletter haben wir uns ausgiebig mit dem «simulierten Höhentraining» und damit beschäftigt, was es leistet und wo es eingesetzt werden kann, wie z.B. bei einer Long Covid Symptomatik mit einer häufig ausgeprägten Müdigkeit (Fatigue- Syndrom).

Diesmal wollen wir nochmals auf das Thema Covid-19 zurückkommen, weil es uns im Zentrum Seewald in den letzten Monaten zunehmend beschäftigt. Konkret kommen Menschen zu uns in die Praxis, die über Long-Covid-ähnliche Symptome klagen, manchmal nach einer bekannten Covid-19 Infektion, manchmal aber Fälle, wo entweder keine Covid-19 Infektion bekannt ist, oder ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Impfung gegen Covid-19 vermutet wird. Gerade Letzteres wird, so berichten uns Patient:innen, oft als „psychosomatisch“ abgetan – ohne konkrete Ansatzpunkte für eine Therapie zu liefern. Damit bleiben Betroffene oftmals auf sich allein gestellt. Wir wollen hier ein wenig Licht in die damit verbundenen Zusammenhänge bringen und auch zeigen, was wir betreffend dieser Symptome für die Betroffenen tun können.

Was versteht man unter dem «Post-Vac-Syndrom» und wie unterscheidet es sich von den Post-Covid-Symptomen?

Unter dem Post-Vac(cine)-Syndrom verstehen wir selten auftretende Nebenwirkungen einer Covid-19-Impfung, deren Symptome dem Long-Covid-Krankheitsbild nach einer Infektion ähneln. Über die genauen Ursachen wissen wir noch zu wenig. Auch wenn die Impfungen gegen Covid-19 mittlerweile sehr gut beforscht sind und diese von der Mehrzahl der Menschen gut vertragen werden, sind Fälle nicht auszuschließen, wo die Impfung auf einen „vorbelasteten“ Organismus trifft und dort zusätzliche, nicht gewünschte Reaktionen auslöst. Eine Impfung bedeutet ja immer, das sollten wir nicht vergessen, dass wir den Organismus mit einer, in der Regel verträglichen Form des Erregers konfrontieren, also bewusst stressen und ihn so zu einer Immunantwort motivieren.

Beide, sowohl die Impfung gegen Covid-19 als auch die tatsächliche Erkrankung mit dem Covid-19 Erreger (gleich ob mit oder ohne Symptome), können in seltenen Fällen das sog. „Multisystemische Entzündungssyndrom“ (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome – kurz: PIMS) auslösen, welches den Betroffenen außerordentlich zu schaffen macht. Es betrifft sowohl Kinder/Jugendliche als auch Erwachsene.

Welche Symptome beschreiben Patient:innen in diesem Zusammenhang?

Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, da die Beschwerdebilder mitunter sehr komplex und auch unterschiedlich sein können. Wie oben beschrieben, ist es zudem oft schlicht nicht möglich, die Ursache eindeutig zuzuordnen (auch weil oftmals eine nicht-bewusste, weil asymptomatische Covid-19 Infektion durchgemacht wurde). Um Ihnen trotzdem eine gewisse Vorstellung von den Auswirkungen zu geben, hier einige Beispiele aus unserem Behandlungsalltag, gegliedert nach den entsprechender Fachrichtungen der aufgetretenen Beschwerden:

· Neurologische/psychiatrische: Schlaganfälle, Gefühlsstörungen, Lähmungserscheinungen, Facialisparese, Wortfindungsstörungen, Angstzustände bis hin zu Panikattacken,

männlich, 50 Jahre, keine bekannten Vorerkrankungen: Schlaganfall

im zeitlichen Zusammenhang mit der Booster Impfung

männlich, 42 Jahre, Booster Impfung, nach 4 Wochen Covid-19 dann

Facialisparese (Gesichtslähmung)

· Pulmologische: Atemnot, teilweise bei nur geringer Belastung, Verstärkung von Asthma oder auch COPD,

weiblich, 22 Jahre, Muskelschwäche/-schmerzen + Atemnot bei nur leichter Belastung, 2 Impfungen, dann Covid-19, anschließend Symptome;

männlich, 61 Jahre, vorbestehende COPD (chronische Lungenerkrankung), ungeimpft, Covid-19 im Feb. 2022, im April Atemwegsinfekt, daraufhin Verschlechterung mit Long Covid Symptomatik

· Kardiologische/Angiologische/Gerinnung: (Mikro-)Thrombosen, Gefäßentzündungen insbes. der kleinen bis kleinsten Gefäße,

weiblich, 52 Jahre, in der Nacht nach der Booster Impfung Brennen in den Händen + Füßen, extreme Müdigkeit, kaum mehr belastbar, Alltag extrem beeinträchtigt

· HNO: Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Tinnitus, Geschmacks- und Geruchsstörungen

männlich, 44 Jahre, 4 Wochen nach Covid-19 Infektion immer noch Schwindel sowie starke Gleichgewichtsstörungen

· Internistische: neuaufgetretene Autoimmunerkrankungen, wie z.B. Rheuma, aber auch Magen/ Darm Beschwerden,

weiblich, 79 Jahre, nach der 1. Impfung, Muskelrheuma, davor waren die Laborwerte bereits latent leicht entzündlich erhöht, nach der Impfung Eskalation der Situation

· Dermatologische: Urtikaria (Nesselsucht), Gürtelrose, Verstärkung von Schuppenflechte oder Neurodermitis,

männlich, 34 Jahre, nach der 2. Impfung Gürtelrose, seit der 3 Impfung, fragliche polyneuropathische Beschwerden (Gefühlsstörungen und Nervenschmerzen)

Müssen die Symptome sofort auftreten, oder können sie auch zeitverzögert in Erscheinung treten?

Beides ist möglich. Manche geben die Beschwerden innerhalb von Stunden an, bei anderen kann es mitunter Wochen oder gar Monate dauern, bis Symptome auftreten.

Gerne erinnere ich in diesem Zusammenhang an die Narkolepsie (eine seltene, als Autoimmunerkrankung klassifizierte Schlaf-Wach-Störung) im Zusammenhang mit der Schweinegrippe 2019. Auch damals ist die Erkrankung, vereinzelt erst nach Jahren, dort ausgebrochen, wo der Erreger auf einen vorbelasteten Organismus getroffen ist. Zur Verdeutlichung: Damit die Autoantikörper (= Antikörper, die aus einer Fehlregulation des Immunsystems entstehen und sich gegen körpereigene Strukturen richten) einen entsprechenden Schaden anrichten konnten, brauchte es bei der Schweinegrippe eine zusätzliche Voraussetzung - und zwar eine geschädigte bzw. offene Blut-Hirn-Schranke, verursacht beispielsweise durch eine schwere Entzündung. Wir können davon ausgehen, dass es bei mit Covid-19 in Zusammenhang stehenden Erkrankungs-Symptomen ähnlich sein dürfte: ein vorbelasteter Organismus reagiert anders auf den Erreger, als ein gesunder.

Gibt es „Risikofaktoren“, die die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung erhöhen?

Wie bereits beschrieben (vgl. PIMS), ist einer der Hauptrisikofaktoren für die Ausprägung von Long-Covid und Post-Vac-Symptomen eine bereits vorher bestehende sogenannte „silent oder low grade Inflammation“, also eine stille bzw. niederschwellige Entzündung im Körper. Die Auslöser einer solchen „silent Inflammation“ können unterschiedlichster Natur sein und bauen sich meist über einen längeren Zeitraum auf. Es sind die vielen kleinen „Bausteine“ unserer Erkrankung, die wir entweder in Kauf nehmen, verdrängen, oder in Ihrer Auswirkung falsch einschätzen, wie z.B.

· Fehlernährung mit zu viel Zucker

· zu viel an Fleisch und Wurst

· intensive langanhaltende Stressphasen ohne Pausen- und Regenerationszeiten

· auch exzessiver Sport kann eine solche niederschwellige Entzündung auslösen.

An irgendeinem, nicht planbaren Punkt, ist der Körper dann überfordert, gibt w.o. und entwickelt seine Erkrankung, die dann leider auch unsere ist J. Die gute und gleichzeitig auch schlechte Nachricht ist, dass es unserer Erfahrung nach, meist mehrere der obengenannten Einflussfaktoren braucht, damit der Organismus aus dem Gleichgewicht gerät. Das heißt, es erfordert Erfahrung und methodisches Wissen, um die Ursachen zu identifizieren, was nicht immer einfach ist. Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch, dass die Heilungswahrscheinlichkeit, wenn die Zusammenhänge im Organismus einmal identifiziert sind, umso größer ist, auf je mehr Ebenen wir in der Therapie ansetzen.

Welche Untersuchungen können wir machen?

Unverzichtbare Basis ist die Blutanalyse, die allerdings nicht nur die klassischen Laborparameter wie Leber, Niere, Schilddrüse und ähnliche analysiert, sondern auch den sogenannten Mikronährstoffhaushalt wie z.B. die wichtigsten Vitamine, Mineralien und auch Spurenelemente, nicht nur im Serum (was von der Krankenkasse übernommen wird), sondern auch im sogenannten Vollblut, das die Situation auch in den Zellen selbst darstellt.

Die weiteren Untersuchungen orientieren sich an der jeweiligen Symptomatik, d.h. bei neurologischen Beschwerden zum Neurologen, bei Hinweisen auf eine Autoimmunerkrankung zum Internisten, usw. Wichtig für Sie: wir versprechen Ihnen die Dinge in die Hand zu nehmen und zu organisieren und stellen den Zusammenhang zwischen den Untersuchungsergebnissen sicher. Nur so können wir ein umfassendes Krankheitsbild ableiten und entsprechend eine zielgerichtete, meist mehrschichtige Therapie aufsetzen. In jedem Fall aber empfehlen wir Ihnen, uns frühzeitig aufzusuchen – um möglichst rasch gegensteuern zu können. Für die notwendigen Abklärungen sind erfahrungsgemäß immer mind. 2 Wochen einzuplanen (Vorliegen Laborergebnisse, etc.).

Können die mit Long-Covid und dem Post-Vac-Syndrom verbundenen Symptome behandelt werden?

Die gute Nachricht: Erfahrungsgemäß kann fast immer eine spürbare Verbesserung erreicht werden, auch wenn es mitunter mühsam und langwierig sein kann. UND: Sie können den Verlauf und die Geschwindigkeit beeinflussen, je nachdem wieviel und wie motiviert Sie mitarbeiten, wobei auch hier nach dem Motto: „mit Maß und Ziel“ gearbeitet werden sollte, weil gerade bei den beschriebenen Symptomen eine zusätzliche Überlastung des Organismus vermieden werden muss. Gerne erinnern wir Sie an dieser Stelle an unseren Long Covid Newsletter vom Juni 2021. (Zentrum Seewald_Long Covid).

Kann ich die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion reduzieren bzw. kann ich mich auf weitere Booster Impfungen und deren Verträglichkeit vorbereiten?

Diese Frage kann aus unserer Sicht ganz klar mit JA beantwortet werden. Warum? Weil der „Schlüssel“ in der Beeinflussung des sog. „Milieus“ (vereinfacht: die natürliche und sozial bedingte Lebensumgebung) liegt.

D.h. je gesünder Sie und Ihr Organismus sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Sie in eine Überlastungs-Problematik schlittern, die dann den oben genannten Problemen „die Tür öffnet“. Folgende (altbekannten) Maßnahmen empfehlen wir Ihnen jedenfalls:

· Gesunde Ernährung, d.h. wenig Zucker, Reduktion glutenhaltiger Lebensmittel und auch bei Kuhmilchprodukten eher zurückhaltend sein

· Ausreichend Bewegung, vor allem Ausdauer, aber auch gezielte Dehnungsübungen

· Möglichst wenig Giftstoffe zuführen

· Ausreichend Schlaf

· Stressreduktion

· Einen ausreichenden Vitamin D Spiegel (Zentrum Seewald_Vitamin D)

Klingt ja sehr einfach: Ist es auch, was aber leider, wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen, nicht bedeutet, dass es einfach umgesetzt werden kann J

Vorsorge ist wie immer die beste Medizin – daher untersuchen wir im Rahmen jeder Vorsorge 2.0 selbstverständlich auch, ob verstecke Entzündungen (die silent Inflammations) vorhanden sind. So können wir frühzeitig gegensteuern, bevor ein Schaden auftreten kann.

Fassen wir nochmals zusammen:

Reaktionen und auch Nebenwirkungen in zeitlichen Zusammenhang mit der Corona-Impfung sind selten, sie können aber vorkommen - was nicht bedeutet, dass diese nicht beeinflusst und auch behandelt werden können.

Die Unterscheidung zwischen den Long Covid-Symptomen nach einer Covid-19 Infektion und den Post-Vac-Symptomen ist sehr schwierig bis unmöglich.

Die Erfahrung der letzten Monate zeigt, dass inzwischen ein Großteil (geschätzt rd. drei Vierteil) der Long Covid Patient:innen geboostert sind. Das ist insofern auch zu erwarten, als die meisten Menschen bereits geimpft sind. Gleichzeitig bedeutet es aber, wie oben ausgeführt, dass ein vorbelasteter Organismus (Stichwort: Silent Inflammation) immer ein höheres Risiko für die Entwicklung von Long-Covid-Symptomatiken birgt.

Achten Sie deshalb auf Ihren Lebensstil unter Berücksichtigung der guten alten 80/20 Regel: Wenn Sie 80% der Zeit auf einen gesunden Lebensstil achten, wie oben beschrieben, dürfen Sie die restlichen 20% etwas lockerer nehmen, d.h. genussvoll Ihr Glas Wein, Ihr Stück Kuchen oder Ihr Schnitzel mit Pommes GENIESSEN.

In diesem Sinne, bleiben Sie gesund, genießen Sie den Sommer und nützen Sie die Zeit, sich und Ihren Körper gut auf den kommenden Herbst einzustimmen. Herzlichst Ihr,

Dr. Sven Seewald, MSc, MSc, D.O.

und Ihr Zentrum-Seewald Team

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